Thursday, January 25, 2007

Am Flughafen

Der Leser dieses Blogs mag den Eindruck bekommen, dass alles in Japan nervig und schlecht ist. Nein, keineswegs. Nur es laestert sich leichter, als dass man lobt. Das liegt wohl im Wesen des Menschen und diese Eigenschaft ist beim Schwaben ja noch deutlich ausgepraegter als beim Rest der westgermanischen Abkoemmlinge. Doch heute moechte ich der Bequemlichkeit nicht nachgeben und veroeffentliche einen Artikel, der auch dem japanfremden Leser zu verstehen geben soll, dass das Wort Freundlichkeit im Deutschen eigentlich klein geschrieben werden muesste.

Jeder kennt diese Situation: Flughafen Frankfurt/Muenchen/Berlin. Man ist spaet dran, eine lange Schlange vor der Gepaeckkontrolle, denn obwohl in der kommenden Stunde 120 Abfluege stattfinden, davon 3 in die USA, sind genau 3 Schleusen (von den 6 vorhandenen) geoeffnet. Vor einem stehen ca 80 Urlauber, die anscheinend alle zum ersten mal fliegen und voellig ueberrascht sind, dass es eine Sicherheitskontrolle gibt. Also erstmal Mantel ausziehen, Tasche ablegen - pieeeeeep. Ach ja, da ist ja noch ein Schluesselbund in der linken Hosentasche - pieeeeeep. " Hahahaha, ich hatte das Kleingeld vergessen" - war in der rechten Hosentasche - pieeeeeep. "Ach die Uhr muss man auch ablegen????? Helmut, kannst Du mal kurz halten - pieeeeep. Was nun noch???? Ohhhhhhh in der hinteren Hosentasche ist ja noch das Spiekzeugauto vom Enkel??? gruenes Licht - endlich. Nun nur noch 79 Leute vor mir...darunter Helmut....

Endlich selbst an der Schleuse angekommen, erwartet einen das Grauen. Ein Mitarbeiter, bei dem man beim Anblick dessen Mimik beinahe ein schlechtes Gewissen bekommt, weil man ueberhaut ein Flugticket gekauft hat. Als wuerde der Herr mit einem reden, schwirrt es durch den Kopf "Was willst Du denn hier - ich hab doch gerade so schoen mit meiner Kollegin geflirtet. Und bei dem Stundenlohn, knapp ueber dem Satz des AG II habe ich nicht wirklich Lust, Dich Fettarsch abzutasten - wehe es pieeeeept - owei, wo ist Helmut...."

Eine dunkle Stimme erweckt uns aus dem Alptraum: " Isch da eine Labtob drinna"
" Aehhh, ja"
" Rausnehma - da nei lega"
" sonschd no was in dr Dasch drinna?"
" aehhh - nein"
" Guertel au aus"
"Guertel??????"
"Ja Guertel"
"OK" ...Hoffenlich piepts nicht.

Nach der Durchsuchung, kommt noch vor dem eigenen Laptop die Handtasche der Nachfolgerin an und man ist sich nicht sicher, ob es riskanter ist, Bargeld zum Flughafen mitzunehmen oder das Geld in der Telefonzelle liegen zu lassen. Die Zeit, die man zum Einpacken hat,erinnert einen dann sogleich an den Samstag Einkauf bei Aldi.

Ich moechte dem Leser an diese Stelle nicht den europaeischen Willkommensgruss der Swiss-Air Mitarbeiterin vorenthalten, als ich das letzte Mal ueber Zuerich nach Deutschland zurueckgeflogen bin. Folgender Dialog hat am Lounge-Empfangsschalter stattgefunden (zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits 11:50h Flug und ca 15h Reisezeit hinter mir):

"JA?"
Wie Ja???!!!!???
"Hallo" Ich strecke meine Boardkarte hin.
Sie sucht im PC: "Sie stehen hier nicht drin."
"aber ich bin mit der Swiss Air aus Tokyo gekommen - in der Business Klasse"
" Was ist das fuer eine Bordkarte"
Du bloede Kuh, das weiss ich doch nicht. Arbeite ich hier am Flughafen oder Du???
"eine blau/graue, rechteckige mit so Buchstaben drauf" haette ich am liebsten gesagt. Aber ich bin ja gut erzogen:"Weiss ich doch nicht!!"
"Sie stehen hier nicht drin"
Das weiss ich bereits. Trotzdem darf ich da rein. "Ich bin Business geflogen, da darf man normalerweise in die Lounge!!!"
"Ok, Sie koennen rein".
Wieder hatten es die Bediensteten geschafft, dass ich mich schuldig fuehlte. Was soll das auch, nach einem so langen Flug in die Lounge zu wollen. Das ganze hatte auch eine sehr gute Seite, denn ich wusste sofoert: Ich war im richtigen Flieger-ich muss in Europa sein!

Nach meinem zweiten japanischen Inlandsflug letzte Woche habe ich mich entschlossen, diesen Artikel zu veroeffentlichen.

Haneda Airport Tokyo:
Ueberall im Flughafen erwarten einen freundliche Mitarbeiter und man fuehlt sich als wichtiger Kunde (auch ohne Businessklasse).
Sicherheitskontrolle. Noch ohne jemanden gesehen zu haben beschleicht mich ein schlechtes Gefuehl. Ploetzlich entdecke ich die Sicherheitsschleusen. Der Plural ist hier angebracht, denn nicht 3 Schleusen sind geoeffnet, sondern alle. Und alle das sind deutlich mehr als 6!!!
Vor den Schleusen 2, maximal 3 Leute und eine nette Dame, die mich freundlich anspricht und aus der Schlange bittet. Sie begleitet mich nach rechts - und zu meinen Erstaunen ist dort noch eine Schleuse, an der niemand wartet. Die Dame legt mir 4!!! Koerbe hin. Einen fuer den Mantel, einen fuer das Kleizeug, einen fuer das Laptop und einen fuer die Laptoptasche. Sie verbeugt sich und bittet mich durch die Schleuse, an deren anderem Ende 2 nette Damen warten und mir laechelnd zunicken - kein pieeeep.
Da ich viele Dinge in meiner Laptoptasche habe, fragt mich der Sicherheitbeamte am Laufband, ob er meine Tasche nochmal durch die Schleuse lassen darf. Auch wenn diese Frage sicherlich nur rethorischen Charakter hat, schafft es der Mann den Eindruck zu hinterlassen, als wuerde er eine ernste Antwort erwarten. Er nimmt die Tasche erst, als ich "hai" antworte (Was er bloss tun wurde, wenn ich nein sagen wuerde???).
Nachdem die Tasche das zweite Mal aus der Schleuse kommt, verneigt er sich, sagt "sumimasen (Entschuldigung), domo arigato gozaimasu (vielen Dank)" und uebergibt mir die Tasche in die Hand. Eine der Damen, die mich zuvor hinter der Schleuse in Empfang genommen hatte wartet dezent, bis ich all meine Dinge eingepackt habe, verbeugt sich und sagt "domo arigato gozaimashita (Vergangenheitsform fuer Danke, denn das wofuer Sie sich bedankt liegt ja nun bereits in der Vergangenheit). Dann sammelt sie die leeren Koerbe ein.

So bloed das klingen mag. Ich fuehle mich anschliessend gut und freue mich. Ich habe eine gute Grundstimmung und fuehle mich nicht schuldig - ich fuehle mich als gerngesehener Gast. Und so soll das doch sein.

Dafuer liebe ich Japan und ich wuensche jedem, dass er diesen kleinen aber wichtigen Unterschied einmal selbst erfahren darf.
Den deutschen Sicherheitsbeamten wuensche ich ein Ereignis, das sie ihren Job und die Gaeste (ohne die es den Job nicht gaebe) schaetzen lernen laesst.

MR

7 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Oh Gott ihr habt so recht ... Und ich muss da in drei Wochen wieder hin.

Wo man gefressen wird wenn man nicht selbst frisst und man in der Hackordnung an der Supermarktkasse unten steht. Ganz unten.

Erinnert ihr Euch noch wie das war, wenn man das erste Mal hier in ein Geschäft geht ? Als Deutscher ?

Man wartet förmlich darauf dass gleich irgendwo jemand auftaucht und einen anschnauzt.

Ich weiß noch ganz genau, als ich in der ersten Woche den Fehler gemacht hab, mich an eine geschlossene Kasse zu stellen. Bis ich kapiert hab was los war durft ich schon bezahlen.

Mach das mal im Aldi ...

10:45 PM  
Anonymous Anonymous said...

Wie wahr...
Ich hab da noch einen! Waren ja mit der ganzen Sippschaft bei unseren Schwiegereltern in Kobe. Viele Leute = hoher Wasserverbrauch. Zwei Wochen lang - sehr hoher Verbrauch. Jetzt kam ein Anruf von den Stadtwerken "Also...ihre Rechnung...20,000 Yen...wir haben alles doppelt gecheckt und geprueft, ob es ein Leck gibt, aber..." entschuldigte sich der Mitarbeiter. Meine Schwiegereltern lachten nur und sagten, das ginge schon in Ordnung.

In D kenn ich es nur andersrum - man bekommt eine viel zu hohe Rechnung praesentiert, telefoniert daraufhin tagelang herum und bekommt zwar keinen an die Leitung, dafuer aber ploetzlich aus blauem Himmel ein Schreiben vom Pfandleiher oder wie die Menschen doch gleich heissen. Ist mir jedenfalls mal passiert.

11:43 PM  
Blogger Lacking Productivity said...

Right on! I totally agree!

8:41 AM  
Blogger Nippon Insights Of Two Gaijins said...

... ich werde im sommer ihr ereignis sein... GGRRRRRRRRRR :)

10:08 AM  
Blogger Nippon Insights Of Two Gaijins said...

This comment has been removed by a blog administrator.

11:00 PM  
Blogger Nippon Insights Of Two Gaijins said...

Hat gesagt…

Ich muss morgen wieder hin und freue mich bereits auf die freundliche Aldi Verkaeuferin, die mit Ihrer Kollegin ueber die ach so menschenunfreundlichen Arbeitszeiten im deutschen Einzelhandel diskutiert, waehrend Sie meine Einkaeufe durch den Barcordeleser zieht um anschliessend alles quasi vom Band fast auf den Boden zu schieben - pieeeeep!!

Ich fuehle mich von Euch verstanden.

Markus

11:02 PM  
Anonymous Anonymous said...

Vielen Dank nun weiss ich wieder warum ich alle meine Verwandten und Bekannten nach Japan Einlade und mich (kurz ueberlegen) fast zwei Jahre, erfolgreich vor einer Reise nach Deutschland gedrueckt habe.
Gruess aus Takao.

3:26 PM  

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