Sunday, July 30, 2006

Blaue Wiese...

Es gibt Dinge im Leben, denen muss man einfach ins Auge blicken. Auch wenn es schwer ist, auch wenn man nicht weiß was einen erwartet, auch wenn die Ungewissheit die Oberhand hat, dann muss man sich der Situation stellen wie ein Mann. So ging es auch mir heute morgen: Der Frisör stand auf dem Programm. Es ist Sonntag und die Haarpracht hat sich in den vergangenen Wochen leider etwas selbstständig gemacht. Es ist nicht so, dass ich unvorbereitet war - nein! Ich hatte mir vor der Abreise nach Japan noch einmal einen Haarschnitt verpassen lassen, der selbst bei den Marines als extrem kurz gegolten hätte. Mein Plan war folgender:
1. letzter Besuch beim Frisör meiner Wahl in Deutschland
2. extrem kurz schneiden lassen
3. nach Japan reisen und erst mal ca. 6 Wochen Zeit um sich einen guten Frisör raussuchen können

Ein guter Plan - hätte man Ihn konsequent umgesetzt. Bis Punkt 2 ist mir das auch sehr gut gelungen, nur bei Punkt 3 habe ich etwas geschlampt.

Es ist nicht so, dass ich hier noch keinen Frisör gesehen habe. Es gibt sogar einen direkt um die Ecke bei uns. Nur die Preise!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
8€ für einen Männerharrschnitt!!!!! Was soll das denn sein?????????? In Japan???????????
Für 8€ sagt Dir Dein Frisör in Deutschland nicht mal hallo, wenn Du zur Tür reinkommst.
Und hier wollen die mir für das Geld eine ordentliche Frisur machen????? Neeeeeeeeeeeeeee. Nicht mit mir. Nicht gleich beim ersten mal.


















Ich packe meine Frau ein und fahre nach Shibuya (das ist eines der Party/Szeneviertel in Tokyo). Wir schlendern so durch die Gegend, auf der Suche nach einen Frisör, der meiner Haarpracht würdig ist, als wir plötzlich vor einer blauen Wiese stehen. Ihr denkt jetzt sicher, ich wäre besoffen. Bin ich aber nicht, sondern das ist der Name eines Frisurenstudios in Tokyo:

"Blaue Wiese" sehr deutsch (auch wenn da kein einziger Europäer gearbeitet hat) - da gehen wir hin. Ich gebe zu, der Name klingt etwas unrealistisch, denn blaue Wiesen gibt es auch in Deutschland nicht, ist mir aber egal, denn das ist das Deutscheste was es hier an Frisör gibt. Und das mit der blauen Wiese kann ich denen ja auch noch nach meinem Haarschnitt erklären.

Ich habe einen Frisör gefunden - ein Problem gelöst. Aber eben nur eins, denn Problem Nr.2 folgt sogleich: Wie erkläre ich dem, was ich für einen Haarschnitt haben möchte????
Der nette Herr hat die Situation erkannt und kommt mit 2 Katalogen angespurtet.













Ich bin sehr erleichtert und auch gleich ernüchtert, als ich die Bilder betrachte. Fast alles Bilder mit Männern, die eine Mähne tragen, als wollten Sie in einen Stella Musical mitspielen. So kann man sich doch nirgends blicken lassen. Wer läuft denn so rum?? So ein Schnitt für mich?? Niemals!!!












Ich blättere und blättere. Lasse mir noch einen Katalog zeigen, versuche es mit Gestik und mit Worten:

"keep it as it is - just a bit shorter"
"here short - here longer" ich zeige dabei auf meine Schläfe und auf das Deckhaar.

Ich blättere also so vor mich hin, als mir plötzlich die Realität ins Auge stickt. Mitten im Haarkatalog entdecke ich das Bild mit dem Titel: "So wirst Du aussehen, wenn es Dir nicht gelingen sollte dem Herren zu erklären, welchen Haarschnitt Du gerne hättest".

Buuuuuääääääääähhhhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!!!
Ich will so nicht aussehen. Ich bin noch jung, frisch verheiratet. Ich möchte noch was von meinem Leben haben. Ich will nicht, dass mich meine Frau verlässt, nur weil der Kollege nicht verstehen kann, dass ich es an der Seite kurz haben möchte und das Deckhaar eben länger.

Plötzlich kommt Bewegung ins Spiel. Der Mann hat ein Bild gefunden, auf dem ein Japaner abgebildet ist. Er hat eine Frisur, für die man eigentlich keinen Frisör braucht, sondern wegen der man während der Fussball WM unter besonderer Beobachtung gestanden wäre und die man sich mit einem 5€ Aldi-Rasierer auch prima selbst in der Badewanne schneiden lassen kann. Aber immerhin, die Seite ist dort ja schonmal kurz, jetzt muss ich nur noch das mit dem langen Deckhaar klären.
Ich zeige also auf das Bild und deute auf meine Schläfe, den Daumen und den Ringfinger etwa o,5 cm auseinander. Dann führe ich meine Hand richtung Kopfoberseite und vergrößere den Abstand auf ca 3-4 cm und sage "here no so much". Der Frisör nickt und grinst. Ich grinse auch und finde mich ziemlich schnell vor einem Waschbecken wieder.
Soweit ähnelt das ziemlich der Prozedur bei einem Deutschen Frisör. Doch nun kommt der "Sawis(u) (=Service)". Dein Kopf wird zurückgelegt und der Frisör wäscht Deine Haare (auch das ist in Deutschland normal). Nur tut er das in Japan volle 10 Minuten und mit einer Flut von Handbewegungen, bei denen Du Dir nicht sicher bist, ob er nun die Haare waschen will oder ob der Dir nebenbei einen Zopf flechtet.
Zurück am Schneideplatz folgt Teil 2.: Kopf + Nackenmassage - Herrlich !!!!
Aber damit nicht genug. Der Herr fragt, ob ich den Sawis(u) des Hauses haben möchte: Eine Finger und Handmassage.
Nein ich möchte nicht.
Nun kommt der eigentliche Akt. Der Herr beginnt zu schneiden. Das macht er so vorsichtig, als sei er im ersten Lehrjahr. Das heißt aber nicht, dass er das nicht kann - keineswegs. Nein, der passt nur extrem auf, dass er nicht grob mit dem Kunden umgeht. Und so kann es sein, dass er an kritischen Stellen auch mal Haare einzeln abschneidet. Nach über einer Stunde ist er fertig. Er zückt den Spiegel und schaut verunsichert zu mir hinab. Ich nicke und grinse. Er grinst auch. Ich vermute er ist sehr erleichtert, dass er richtig verstanden hat - Seiten kurz oben lang, gut gemacht!!!.
Selbstverständlich werden wir nach dem Bezahlen nach draußen begleitet. Er verbeugt sich und ich bedanke mich: "domo arigato gozaimasu". Das ging ja nochmal gut.

MR

2 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Wo bleibt das Bild vom "Endergebnis"?!?? :-))

Gruss aus LuBu, Iris&Gert

5:21 AM  
Blogger Nippon Insights Of Two Gaijins said...

Das zeige ich nicht, ich habe Angst, dass mir da mein Chef dann meinen Bonus streicht :-))

10:24 PM  

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