Sunday, October 15, 2006

Nicht des Geschmacks wegen...

Damit wir Gaijins die Japaner vollkommen verstehen koennen, muss man entweder eine Pille erfinden oder man muss hier 35 Jahre seines Lebens verbringen und sich Jahr fuer Jahr das Gehirn bleichen lassen. Zu verschieden sind die Ansichten, zu unterschiedlich die Werte, voellig anders ist die Denkweise. Worueber freut sich ein Japaner? Was macht Ihn gluecklich? Was schenkt man einem Japaner, damit er restlos zufrieden ist? Was bringt man einer japanischen Hausfrau als Besuchsmitbringsel mit. Was muss man besorgen, damit man sich bei der ersten Begegnung nicht blamiert. Es gibt da wohl ein paar Grundregeln:

1. Das Geschenk muss eingepackt sein - aufwendig eingepackt. Je mehr Verpackung und je komplizierter, desto besser.
2. Das Geschenk muss tadellos aussehen. Keine Macken oder kleine Schoenheitsfehler darf es aufweisen
3. Es muss teuer sein, schliesslich moechte man zeigen, was einem der Gastgeber wert ist.

Scheint ja nicht so schwer zu sein mag man sich denken. Es gibt schliesslich tolle Uhren, die man prima verpacken kann. Eine schoene Vase oder die perfekte Blume koennten als Geschenk in Frage kommen. Wie waer es mit einem Geschenkkorb nach Grossmutter Art, mit einer guten Flasche franzoesischem Wein??
Nein, es ist viel einfacher. Man schenkt Obst. Ja, Ihr lest richtig OBST. Das gibt es in allen Geschenkvariationen. Den einzel verpackten Apfel fuer 6 Euro. Das Buendchen Weintrauben fuer 15 Euro. Das Obstmix im Geschenkkorb fuer schlappe 45 Euro (dafuer bekommt man aber auch einen Apfel, eine Kiwi, eine Birne und Trauben). Oder es gibt Melonen.

Was kann so eine Melone kosten ??? Nun keine Angst - Melonen gibt es bereits ab 25 Euro - aber bildet Euch bitte nicht ein, dass eine 25 Euro Melone hierzulande als Geschenk taugen wuerde. Wenn Ihr Euch nicht blamieren wollt, dann lasst die Finger davon. Nicht, dass man Melonen generell nicht verschenken koennte. Das schon, nur muss man dann etwas tiefer in die Tasche greifen.

Der interessierte Leser betrachte bitte das folgende Bild. Der Blick richte sich bitte zunaechst nach links unten. Dort kann man die einfache Geschenkmelone entdecken zum sagenhaften Preis von 8000 円 (yen). Schwenkt man langsam nach rechts, so entdeckt man die Variante "braver Gast" zum Schnaeppchenpreis zu 10000 円 und die Ausfuehrung "geuebter Gaijin" zum Preis von 16000 円. Schwenkt man aber nach oben, so entdeckt man die Melone, die nur ganz wenige Gaeste mitbringen wuerden. Nur echten Kennern, nur Japanfetischisten und echten Profis kommt es in den Sinn die Variante "prefekte Pyramide" zu praesentieren. Makellos steht sie da, von Japanern gepflanzt, von Japanern geformt. Beinahe ein Kunstwerk, geradezu grazioes, majestaetisch praesentiert. Es wird einem schnell klar, dass der laecherliche Preis von 80000 円 (80000 円 / 145 = 552 Euro) eine Beleidigung fuer den Kuenstler - ja ich mochte Ihn Meister nennen - sein muss.
Ich habe mich gefragt, was man wohl mit so einer Melone macht? Was stellt man mit einem Obst an, das dem Gegenwert eines einwoechigen Gran Canaria Urlaubs mit Fruehbucherrabatt entspricht?? Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht:
Zunaechst kommt es einem in den Sinn, dass die Dinger vielleicht in die Vitrine gestellt werden. Nur sind die Melonen auch in Japan nicht versiegelt,so dass die Pracht dort binnen 3 Wochen vergangen sein duerfte und die Fruchtfliegen auf unserer Zen-Melone Lambada tanzen duerften.
Es koennte auch sein, dass der Gastgeber noch am selben Abend den Spaten auspackt, das Ding 1m tief im Garten vergraebt (wenn er denn einen hat) und im Folgejahr auf viele kleine Wundermeloenchen hofft. Er dann selbst ein Melonengeschaeft eroeffnet und stinkreich wird, weil seine Landsleute einfach unheimlich gerne Melonen verschenken.
Am plausiebelsten erscheinnt mir allerdings, dass die Melone gegessen wird. Da ich mir aber ziemlich sicher bin, dass auch eine pyramidenfoermige Melone nicht besser schmeckt als die runde Variante (ich hatte auch schon das Vergnuegen mit einem 3 Euro Apfel. Er haette den Contest gegen den kleinen 5 Cent Bodenseeapfel chancenlos verloren), gehe ich davon aus, dass es am Schnitterlebnis liegen muss, weshalb sich ein Japaner so an deisem Geschenk erfreut. Jetzt ist ja nicht jeder unter unseren Lesern technischer Zeichner und hat deshalb ein besonders ausgepraegtes raeumliches Vorstellungsvermoegen. Da ich aber ein guter, fuersorglicher Blogautor bin, habe ich mir die Muehe gemacht fuer Euch eine Skizze anzufertigen:

Welche Form ergibt der 12te Teil einer Pyramidenmelone?
Nun, wenn mein raeumliches Vorstellungsvermoegen mich nicht irrefuehrt, dann entspricht sie Form des Stuecks der Skizze links. Im Vergleich habe ich noch den 12ten Teil einer Rundmelone (so wie in Deutschland im Supermarkt zu bekommen fuer ca. 10Euro) skizziert.
Was fuer ein erheblicher Unterschied. Nun wird mir klar, weshalb hier Ausgaben fast in Hoehe eines halben japanischen Monatsgehaltes getaetigt werden.
Diese Form ist es also, die solche Investitionen rechtfertigt!
Ich bin ueberwaeltigt. Nun verstehe ich auch, weshalb der Japaner es vorzieht mit 7 Mann auf 50 Quadrahtmetern zu wohnen, weshalb klein-Matsumoto in die Besenkammer verfrachtet wird und warum Hauswaende aus Papier hier so haeufig zu sehen sind. Alles fuer die Melone, alles wegen der Melone. Ich habe verstanden. Ich spare also nun auf meine erste japanische Melone nach dem Vorbild aegypthischer Architektur. Jetzt muss ich nur noch das mit der Verpackung verstehen.

MR

2 Comments:

Anonymous Anonymous said...

Einfach unglaublich !!!!!!!

Und ich denke ich habe einen an der KLatsche .

Gruß
Tommy

2:48 AM  
Anonymous Anonymous said...

hö hö hö... Ich bin diesen Sommer in den Genuss von Wassermelonen gekommen die umgerechnet 15 Cent das Kilo gekostet haben (also 20 Kilo für 3 €) und vermutlich am Tag davor noch in der Sonne gebadet haben und einfach nur herrlich geschmeckt haben. Ob die nun rund oder "perfekt" ist habe ich mich garnicht gefragt. Aber in einer Hochkultur wie in Japan ist man vermutlich schon seit mehreren tausend Jahren weggekommen von den einfachen irdischen/menschlichen Bedürfnissen nach gutem Geschmack.

Irgendwie erinnert mich dass an den Typen der vom Schrotthändler um Künstler aufgestiegen ist und seinem Heimatort ein Kunstwerk aus X alten verrosteten Karossen auf den Marktplatz gestellt hat. Ein Geschenk wie der Mensch beteuerte und doch konnten die Bürger nicht den tieferen Sinn darin entdecken. Ein verkanntes Genie oder ein Mensch der - wie die Japaner - über den Dingen steht?

Wir werden es nie erfahren!

8:52 PM  

Post a Comment

<< Home

free web page hit counter