Sunday, July 16, 2006

Die Erleichterung

Als der italienische Physiker Alessandro Volta um 1800 herum die elektrische Batterie erfand, konnte er nicht ahnen, dass seine Erfindung nur der Anfang einer beispiellosen technischen Entwicklung sein würde. Die Bogenlampe, der Morse-Telegraf, das Telefon und...

Man darf annehmen, dass die Entwicklung der Elektronik so schnell voran geschritten ist, weil sie dem Menschen viele Dinge im Alltag erleichtert. So hat die Hausfrau mehr Zeit zum shoppen, weil die Waschmaschine zuhause alles automatisch erledigt. Der Mann kann nun Samstags pünktlich die Sportschau sehen, weil er den heimischen Rasen nicht mehr mit der Sense mähen muss. Keine Frage, Elektronik ist toll.

Jeder von uns hat sich bestimmt schonmal gefragt, ob es überhaupt noch einen weiteren Fortschritt geben kann. Ja, auch ich habe mich das gefragt, zumindest bis ich nach Japan gezogen bin. Auch hier gilt: Elektronik soll dem Menschen den Alltag erleichtern. Und es stimmt auch in Japan: Ab und an muss sich der Mensch erleichtern. Meistens sogar täglich. Und darum gibt es in Japan die Erleichterung für die Erleichterung. Die Rede ist vom vollelektronischen Toilettensitz, der in der Luxusausführung ruhig auch mal über 1000 € kosten kann. Das Ganze nennt sich Washlet und ist anscheinend weiter verbreitet als der Heimcomputer (auch wir haben zwei solche Teile im Haus). Aber was bekommt man nun für so viel Kohle?? :

Los geht das Ganze mit einer Heizung, die in die Klobrille integriert ist - Temperatur frei wählbar. Damit dem Herrn sein bester Freund nicht zu klein wird!!
Die eingebaute Bidetfunktion versteht sich von selbst. Das sind Basics!! Es gibt zwei Spritzpositionen.
Eine für die Spurenbeseitigung des großen Geschäfts und eine für die Reinigung des Intimbereichts (wobei ich das nur den Frauen empfehlen kann. Als Mann ist das irgendwie komisch und das Ding spritzt an ne Stelle - naja Ihr wisst schon.
Bei den besseren Geräten gibt es ein Warmluftgebläse, um das einmal nass gem
achte auch wieder trocken zu blasen. Schließlich ist auch die Benutzung des Klopapiers äußerst anstrengend.

Für diejenigen unter uns, denen die Geräusche beim täglichen Geschäft peinlich sind, wird eine "künstliche Klospülung" angeboten. Was für eine tolle Erfindung: Nun hört man zwar nicht
mehr, wenn mal ab und an ein unkontrollierter Pups entweicht, dafür weiß man aber sicher, dass der Geschäfteverrichter Geräusche hinterlässt. Warum sollte sonst die Klospülung dauerhaft laufen??
Es gibt Tage, da denkt man man müsste ganz dringend und kaum sitz man nun dann: NIX, NIX geht. Die Lösung?? Natürlich eine eingebaute Massagefunktion, um die Muskulatur mal so richtig zu lockern.
Noch was für die Herren: der automatischen Deckelöffner, der sich für die Damenwelt auch wieder automatisch schließt. Und weil das betätigen des Spülhebels so sehr anstrengt, ist auch diese Funktion automatisiert.


Für die ältere Generation unter uns haben die Japaner natürlich auch was: das Modell Altersheim. Es unterstützt den "Besucher" beim aufstehen, schliesslich soll ja kein Gast länger sitzen als selbst gewünscht.

Wie bedient man das alles eigentlich?? Natürlich Wireless via remote control. Wäre ja auch zu blöd, wenn man sich zur Seite drehen müsste.


Fernbedienteil für
die Toilette mit
über 30 Funktionen







Modell Altersheim



Ich sprach von der Elektronik und davon, wie Sie uns doch das Leben erleichtert. Es gibt Traditionen, die sich bis in die Moderne gehalten haben. Zum Beispiel das japanische Baderitual. Baden ist schön und Badewasser einlassen furchtbar anstrengend. Das korrekte Einjustieren der richtigen Wassertemperatur ist nicht weniger lästig als die Tatsache, dass man auch noch 10 Minuten warten muss, bis die Wannw vollgelaufen ist und man endlich einsteigen kann.
Und was ist, wenn man drin ist und man hat Durst??? Etwa wieder raus und nass zum Kühlschrank laufen??

Darüber hat sich im Jahr 2001 auch das Fraunhoferinstitut Gedanken gemacht. In dem Artikel geht es um die "Vision des modernen Hauses":

"Die intelligente Badewanne kann ferngesteuert nach den individuellen Parametern gefüllt werden, sie zeigt die Badewassertemperatur an, hat eine Kindersicherung, Überlaufschutz, Verbrühschutz und meldet, wenn sie wie gewünscht gefüllt ist."

Nun, unser Haus ist aus dem Jahre 1999. Auch wir haben eine Badewanne.

Ich glaube unser Haus ist intelligent. Und nach der definition des Fraunhoferinstituts war es das 1999 schon, denn bei uns funktioniert die Badewanne so:

Man programmiert die Literzahl in das Bedienelement in der Küche. Dann gibt man noch die Temperatur ein (z.B. 43°C). Wenn man möchte, kann man sich auch ein Badeprogramm erstellen: Mo. 16:23 Uhr bitte Wasser einlassen, denn Montags möchte ich gerne um 16:35 Uhr baden!!!
Die nette Dame im Bedienkästchen sagt einem dann, wann die Wanne voll ist. Und das Problem, dass das Wasser kalt wird kennen die Japaner nicht, denn selbstredend wird das Wasser ständig auf Temperatur gehalten. Und für denjenigen, den in der Wanne plötzlich der Durst überkommt gibt es eine Ruftaste - natürlich direkt zur Hausdame in der Küche...

Ich hätte dem netten deutschen Forscher vom Frauenhoferinstitut bereits im Jahr 1999 eine Reise nach Japan gewünscht. Vielleicht hätte sich der Mann 1 Jahr härteste Forschungsarbeit erspart.

Elektronik ist toll. Elektronik ist sogar sehr toll:

Damit kann man den Reiskocher programmieren, so dass der Reis mit dem Öffnen der Haustüre fertig wird.

Man kann sich die Brotbackmaschine programmieren und man kann sich vom Mobiltelefon nach Hause führen lassen.

Den Hund kann man über das Internet Futter reichen während man Ihn per Webcam beobachtet (das muss bei Japanern wohl so sein, denn sie verbringen ja 18-20h auf der Arbeit - wie wird der Hund wohl gestreichelt????).

Elektronik ist schon was tolles. Auch unser Haus ist voll damit. Nur eine Schwachstelle gibt es: Die Lüftung im Bad. Die ist nicht programmierbar.
Nein, die ist mit einem einfachen Schalter versehen.
Keine Stimme, die einen an daran erinnert, dass nun kein Dampf mehr in der Dusche ist.
Keine Stimme, die einem meldet, dass es nun auf dem Klo nicht mehr stinkt. Keine Zeitschaltuhr, die einfach abschaltet, wenn der Hausherr bereits das Haus verlassen hat.
Keine Geschwindigkeitsregelung, die sich dem Geruchsbelästigungsfaktor anpasst.
Nein, nur ein einfacher Schalter. Ein einfacher weißer Schalter, den man auch in Deutschland in jedem Baumarkt finden würde.
Eines ist jedoch besonders: Sie funktioniert nicht. Da tut sich nix. Absolut nix. Ich vermute, das liegt daran, dass sie vieeeeel zu simpel ist für Japan. Ist ja auch ein Witz - ein einfacher Schalter, den man auch noch von Hand bedienen muss. Tststststs. Ich glaube ich muss dringend in den Elektronikmarkt.

MR

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