Der Leser dieses Blogs mag den Eindruck bekommen, dass alles in Japan nervig und schlecht ist. Nein, keineswegs. Nur es laestert sich leichter, als dass man lobt. Das liegt wohl im Wesen des Menschen und diese Eigenschaft ist beim Schwaben ja noch deutlich ausgepraegter als beim Rest der westgermanischen Abkoemmlinge. Doch heute moechte ich der Bequemlichkeit nicht nachgeben und veroeffentliche einen Artikel, der auch dem japanfremden Leser zu verstehen geben soll, dass das Wort Freundlichkeit im Deutschen eigentlich klein geschrieben werden muesste.
Jeder kennt diese Situation: Flughafen Frankfurt/Muenchen/Berlin. Man ist spaet dran, eine lange Schlange vor der Gepaeckkontrolle, denn obwohl in der kommenden Stunde 120 Abfluege stattfinden, davon 3 in die USA, sind genau 3 Schleusen (von den 6 vorhandenen) geoeffnet. Vor einem stehen ca 80 Urlauber, die anscheinend alle zum ersten mal fliegen und voellig ueberrascht sind, dass es eine Sicherheitskontrolle gibt. Also erstmal Mantel ausziehen, Tasche ablegen - pieeeeeep. Ach ja, da ist ja noch ein Schluesselbund in der linken Hosentasche - pieeeeeep. " Hahahaha, ich hatte das Kleingeld vergessen" - war in der rechten Hosentasche - pieeeeeep. "Ach die Uhr muss man auch ablegen????? Helmut, kannst Du mal kurz halten - pieeeeep. Was nun noch???? Ohhhhhhh in der hinteren Hosentasche ist ja noch das Spiekzeugauto vom Enkel??? gruenes Licht - endlich. Nun nur noch 79 Leute vor mir...darunter Helmut....
Endlich selbst an der Schleuse angekommen, erwartet einen das Grauen. Ein Mitarbeiter, bei dem man beim Anblick dessen Mimik beinahe ein schlechtes Gewissen bekommt, weil man ueberhaut ein Flugticket gekauft hat. Als wuerde der Herr mit einem reden, schwirrt es durch den Kopf "Was willst Du denn hier - ich hab doch gerade so schoen mit meiner Kollegin geflirtet. Und bei dem Stundenlohn, knapp ueber dem Satz des AG II habe ich nicht wirklich Lust, Dich Fettarsch abzutasten - wehe es pieeeeept - owei, wo ist Helmut...."
Eine dunkle Stimme erweckt uns aus dem Alptraum: " Isch da eine Labtob drinna"
" Aehhh, ja"
" Rausnehma - da nei lega"
" sonschd no was in dr Dasch drinna?"
" aehhh - nein"
" Guertel au aus"
"Guertel??????"
"Ja Guertel"
"OK" ...Hoffenlich piepts nicht.
Nach der Durchsuchung, kommt noch vor dem eigenen Laptop die Handtasche der Nachfolgerin an und man ist sich nicht sicher, ob es riskanter ist, Bargeld zum Flughafen mitzunehmen oder das Geld in der Telefonzelle liegen zu lassen. Die Zeit, die man zum Einpacken hat,erinnert einen dann sogleich an den Samstag Einkauf bei Aldi.
Ich moechte dem Leser an diese Stelle nicht den europaeischen Willkommensgruss der Swiss-Air Mitarbeiterin vorenthalten, als ich das letzte Mal ueber Zuerich nach Deutschland zurueckgeflogen bin. Folgender Dialog hat am Lounge-Empfangsschalter stattgefunden (zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits 11:50h Flug und ca 15h Reisezeit hinter mir):
"JA?"
Wie Ja???!!!!???
"Hallo" Ich strecke meine Boardkarte hin.
Sie sucht im PC: "Sie stehen hier nicht drin."
"aber ich bin mit der Swiss Air aus Tokyo gekommen - in der Business Klasse"
" Was ist das fuer eine Bordkarte"
Du bloede Kuh, das weiss ich doch nicht. Arbeite ich hier am Flughafen oder Du???
"eine blau/graue, rechteckige mit so Buchstaben drauf" haette ich am liebsten gesagt. Aber ich bin ja gut erzogen:"Weiss ich doch nicht!!"
"Sie stehen hier nicht drin"
Das weiss ich bereits. Trotzdem darf ich da rein. "Ich bin Business geflogen, da darf man normalerweise in die Lounge!!!"
"Ok, Sie koennen rein".
Wieder hatten es die Bediensteten geschafft, dass ich mich schuldig fuehlte. Was soll das auch, nach einem so langen Flug in die Lounge zu wollen. Das ganze hatte auch eine sehr gute Seite, denn ich wusste sofoert: Ich war im richtigen Flieger-ich muss in Europa sein!
Nach meinem zweiten japanischen Inlandsflug letzte Woche habe ich mich entschlossen, diesen Artikel zu veroeffentlichen.
Haneda Airport Tokyo:
Ueberall im Flughafen erwarten einen freundliche Mitarbeiter und man fuehlt sich als wichtiger Kunde (auch ohne Businessklasse).
Sicherheitskontrolle. Noch ohne jemanden gesehen zu haben beschleicht mich ein schlechtes Gefuehl. Ploetzlich entdecke ich die Sicherheitsschleusen. Der Plural ist hier angebracht, denn nicht 3 Schleusen sind geoeffnet, sondern alle. Und alle das sind deutlich mehr als 6!!!
Vor den Schleusen 2, maximal 3 Leute und eine nette Dame, die mich freundlich anspricht und aus der Schlange bittet. Sie begleitet mich nach rechts - und zu meinen Erstaunen ist dort noch eine Schleuse, an der niemand wartet. Die Dame legt mir 4!!! Koerbe hin. Einen fuer den Mantel, einen fuer das Kleizeug, einen fuer das Laptop und einen fuer die Laptoptasche. Sie verbeugt sich und bittet mich durch die Schleuse, an deren anderem Ende 2 nette Damen warten und mir laechelnd zunicken - kein pieeeep.
Da ich viele Dinge in meiner Laptoptasche habe, fragt mich der Sicherheitbeamte am Laufband, ob er meine Tasche nochmal durch die Schleuse lassen darf. Auch wenn diese Frage sicherlich nur rethorischen Charakter hat, schafft es der Mann den Eindruck zu hinterlassen, als wuerde er eine ernste Antwort erwarten. Er nimmt die Tasche erst, als ich "hai" antworte (Was er bloss tun wurde, wenn ich nein sagen wuerde???).
Nachdem die Tasche das zweite Mal aus der Schleuse kommt, verneigt er sich, sagt "sumimasen (Entschuldigung), domo arigato gozaimasu (vielen Dank)" und uebergibt mir die Tasche in die Hand. Eine der Damen, die mich zuvor hinter der Schleuse in Empfang genommen hatte wartet dezent, bis ich all meine Dinge eingepackt habe, verbeugt sich und sagt "domo arigato gozaimashita (Vergangenheitsform fuer Danke, denn das wofuer Sie sich bedankt liegt ja nun bereits in der Vergangenheit). Dann sammelt sie die leeren Koerbe ein.
So bloed das klingen mag. Ich fuehle mich anschliessend gut und freue mich. Ich habe eine gute Grundstimmung und fuehle mich nicht schuldig - ich fuehle mich als gerngesehener Gast. Und so soll das doch sein.
Dafuer liebe ich Japan und ich wuensche jedem, dass er diesen kleinen aber wichtigen Unterschied einmal selbst erfahren darf.
Den deutschen Sicherheitsbeamten wuensche ich ein Ereignis, das sie ihren Job und die Gaeste (ohne die es den Job nicht gaebe) schaetzen lernen laesst.
MR